Single-Charts

Single-Charts: Scheidewege.

Als ich jünger war, schien es mir offensichtlich, dass ich Mitte Zwanzig eine Familie gegründet haben würde. Noch immer empfinde ich diese Wunschvorstellung als schön und kann mich keineswegs der allgemeinen „Das-hat-sich-alles-verschoben“-Ansicht anschließen. Denn wenngleich wir vielleicht agiler sind als noch unsere Großeltern-Generation, so werden wohl all jene Ende 30/Anfang 40-Eltern schnell merken, dass sie nicht mehr ganz so fit sind wie ihre Sneaker, wenn sie mit Schlafmangel auf dem Spielplatz ihr Kind nur mit viel Mühe auf der Schaukel platziert bekommen, ohne direkt einen Hexenschuss zu erleiden.

Warum also haben wir alle Angst davor, etwas zu verpassen, wenn wir einen solch maßgeblichen Lebensabschnitt wie den der eigenen Familienplanung zu früh eingehen? Zählt es nicht genauso zu dieser „Das-hat-sich-alles-verschoben“-Ansicht, dass wir inzwischen wissen, auch mit Kleinkind eine Weltreise bestreiten zu können? Was hält uns immer zu auf?

Denn Fakt ist ja nun auch: Wir verwirklichen uns lieber selbst, aber richtig Karriere ist in den Endzwanzigern ja auch bei kaum einem in der Großstadt lebenden Singles angesagt. Es ist folglich ein seltsames Spiel, welches wir hier spielen. Und doch finden wir es irgendwie OK.

Es erscheint als ein recht absurdes Gedankenspiel, welches ich euch im heutigen Artikel niederschreibe, insbesondere, da ich mich zum aktuellen Zeitpunkt selbst nie weiter davon entfernt fühlen könnte. Und dennoch treibt es mich um. Vermutlich, weil ich es eben immer wieder erlebe, wir mir Freunde und auch neue Bekanntschaften schildern, wie wenig sie sich aktuell einen solchen Schritt vorstellen könnten. Gern diskutiere ich hierbei dann mit Männern, die eine solche Ansicht vertreten, mein obiges Gedankenspiel und stelle sie nur zu gern vor die Frage, in welchem Fitness-Zustand sie sich denn wohl lieber einem Abenteuer namens Kind stellen wollen würden. Es ist immer wieder eine durchaus unterhaltsame Konversation.

Anders sieht es mit meiner ganz eigenen Wunschvorstellung aus. Ich mag sie noch immer und gemäß meiner Mittzwanziger-Ansage, sollte ich wohl eigentlich mal einen Schritt weiterkommen. Nur kann man das eben nicht planen. Und auch wenn es unendlich verrückt klingt: Ich finde es gemein. Man kann seine Karriere planen, bewusst vorantreiben oder eben auch nicht, man kann sich dafür entscheiden zu reisen, auszuwandern, verrückt zu sein, nur die Zeit, die einem manchmal wie Sand zwischen den Händen zerrinnt, in der man sich einen Wunsch wie eine Familie nicht erfüllen kann, diese Zeit, kann einem niemand zurückgeben.

Vielleicht kommt er daher: Dieser ekelhafte Druck, welchen man Single zumeist dann mit voller Wucht in den Bauch gerammt bekommt, wenn einem Freunde mal wieder mit einer ach so freudigen Botschaft überraschen wollen. Ja, Hurra, ihr seid Schwanger! Geil. Ich freue mich für euch! Darf ich trotzdem kurz kotzen gehen? Danke.

Denn, nein, man kann dem als Single eben nicht immer mit einem charmanten Lächeln entgegnen. Manchmal möchte man ganz anderen Emotionen ihren Raum geben. Denn ja, auch wir Singles hatten solche Pläne.

9 Kommentare zu „Single-Charts: Scheidewege.

  1. Liebe Franzi,

    ein toller Beitrag und ich kann deine Gedanken nachempfinden. In meinem Freundeskreis wird auch geheiratet und der Babyboom scheint zu wachsen. Okay, ich persönlich darf jetzt keine Kinder aus gesundheitlichen Gründen bekommen und bin mir nicht sicher, ob ich welche wollen würde wenn ich dürfte! Auch das sie immer und überall etwas von ihren Babys posten (WhatsApp-Status) finde ich so langsam nervig.

    Es ist halt was doof, wenn man mit um die 30 Jahre noch Single ist. Viele sind ja schon mit ihrem Partner sehr lange zusammen. Ich hätte auch gerne bereits vor 5 Jahren oder so meinen Partner fürs Leben kennengelernt. Aber kaum wer kämpft noch wirklich um die Liebe und um die Partnerschaft. Das ist wieder die Wegwerfgesellschaft, in welcher wir leider heutzutage leben… Traurig aber wahr!

    Und irgendwann tickt die biologische Uhr einer Frau bzw. läuft der Countdown und wenn man dann noch Single ist oder in einer Beziehung bist, wo eine Fortpflanzung noch nicht mal zeitnah in Sicht ist, hat man irgendwie scheinbar verloren.. Andererseits könnte man es auch so betrachten, dass wir einfach nicht diesem Trend mitgehen und uns selbst verwirklichen. Man kann auch ohne Kinder und ohne Mann ein schönes Leben haben. Aber wenn man sich so etwas wünscht, ist das immer was doof.. :/

    Alles Gute

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    1. Es kollidiert halt von Zeit zu Zeit immer mal wieder sehr heftig mit meinem eigentlichen Werte-System. Ich glaube einfach, dass es niemals Geld oder Status sein können, die einen am Ende glücklich machen werden.

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      1. Nein, das ist es auch nicht. Aber guck doch auch mal, wie viele z.B. noch mit Ende 20 studieren!

        Es ist halt auch so, dass kaum einer noch eine wirkliche Verantwortung übernehmen möchte und sich somit binden möchte. Denn eine Beziehung und erst recht eine Ehe bedeuten Verantwortung und Bindung! Und davor versuchen manche davon zu laufen. Leider.

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    2. Ich bin ja wirklich froh, dass das Thema in meinem Freundeskreis noch gar nicht aktuell ist. Ich kann es aber absolut verstehen und könnte das alles auch nicht mega gelassen nehmen. Familie kann man eben nicht planen ohne Partner und das nervt richtig, wenn man eigentlich bereit dafür ist.

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    3. Hallo Franzi,
      sehr schöner Kommentar. Du hast vollkommen recht.
      „Aber kaum wer kämpft noch wirklich um die Liebe und um die Partnerschaft. Das ist wieder die Wegwerfgesellschaft, in welcher wir leider heutzutage leben… Traurig aber wahr!“
      Besser hätte ich es auch nicht schreiben können. Auch haben die meisten in der heutigen Zeit ein zu vorgefertigtes Bild im Kopf, wie der Partner zu sein hat. Da wird dann beim ersten kennenlernen nur schnell abgescannt und mit der imaginären Liste verglichen und sobald auch nur ein Punkt nicht passt, „der nächste bitte“. Das ist echt traurig. Auch wollen alle am liebsten 1000%ige Sicherheit, bevor sie sich auf etwas einlassen. Denn sonst war es ja verschwendete Zeit. Nicht umsonst gibt es heutzutage immer mehr Singles. Entwedr sind die Ansprüche zu hoch oder aber es herrscht Bindungsangst. Und dann kommen so Ausreden wie „Ein Partner passt gerade nicht in meine Lebenssituation“. Mensch, belügt euch nicht selbst!

      Auch wollen doch heute im Zeitalter von Tinder und co. die meisten nur schnellen, ungezwungenen Sex. Bloß nicht binden und den ganzen Quatsch mit Gefühlen oder so. Nur ein wenig lockeren Spaß haben, ganz ungezwungen. Rein, raus, fertig. Echt traurig sowas.

      Ich selbst hätte gerne wieder eine Beziehung, um überhaupt auch mal an Familienplanung zu denken und mir mit jemandem eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Nur fehlt mir aktuell die Partnerin dafür.

      Vielleicht bin ich auch zu naiv, noch an die richtige Liebe zu glauben und sie stirbt mehr und mehr aus. Es fühlt sich jedenfalls so an.

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