Als die liebe Franzi mich fragte, ob ich einen Beitrag für Ihren Blog schreiben würde, da hatte ich mich gerade wenige Wochen eher auf Tinder registriert – natürlich ohne Facebook-Login, das könnte ja peinlich werden, wenn Gnade Gott da wirklich irgendetwas veröffentlicht werden würde und der Welt bekannt würde, dass man das Wischen und Matchen für sich in Erwägung zieht. Naja, auf jeden Fall saßen wir nach einer grandiosen WG-Party auf der Couch in meiner reinen Jungs-WG, in der ich die weibliche Ausnahme darstelle und sprachen darüber, ob man ein bestimmter Typ Mensch sein muss, um auf Anhieb einen Match-Erfolg zu haben. Denn wie es der Zufall so will, hatte es nur wenige Tage gedauert, bis der potentielle Mr. Right auf dem Radar erschien und prompt ein sehr lebhaftes Gespräch zustande kam, worauf das erfolgreiche erste Date und weitere Treffen folgten, die bis heute hin anhalten. Das Profil war erstaunlich ähnlich: Ein paar Tage beim Datinganbieter registriert, mal ausprobieren, was alle gerade mal eben ausprobieren und beide relativ neu in der Stadt. Folglich sollte hier eigentlich eine Geschichte über „Mein erstes Mal…Tinder“ stehen. Aber in den letzten Wochen habe ich gelernt, dass es einiges gibt, wofür ich dem Kuppeldienst dankbar sein kann – und darum geht es ja schließlich an Weihnachten.
1. Das neue Thema auf dem WG-Flur
Früher habe ich auf Geburtstagen oft über die Schulter geschaut, wenn jemand die Flammen-App öffnete und es war manchmal schon ein richtiger Party-Gag. Aber selbst ausprobieren? Huh. Das Herunterladen der App hat schon ein großes Stück Überwindung gekostet. Während manche die App wie Tetris in der Bahn benutzen, fand ich es schon ganz schön komisch, verschanzte mich in die hinterste Ecke meiner Couch, wo auch ja keiner reinlunzen konnte. Spätestens seit ich meine Mitbewohner und den ein oder anderen Kommilitonen gewischt habe (ich schweige an der Stelle, in welche Richtung), fühle ich mich irgendwie bestätigt: Wir suchen doch alle irgendwie etwas – sei’s drum, ob One’s, Two’s, Whatevers. Viel mehr noch: Da natürlich auch ich in der Suche meiner Mitbewohner erscheine und seither nicht verschweigen kann, was ich heimlich treibe, ist das Wen-datest-du-eigentlich-gerade-Eis nun endlich gebrochen, was ja bekanntermaßen nicht immer die erste Frage ist, die man stellt. Seit wir uns unfreiwillig als Tinder-Glücksrad-Teilnehmer geoutet haben, ist der WG-Flur also um einen Running Gag lustiger und reicher. Das ist im Freundeskreis im Übrigen nicht anders.
2. Flinkern und Funkeln
Nach einer langjährigen Beziehung war ich oft unsicher, wann der „richtige“ Zeitpunkt ist, um einen Versuch zu wagen und die Hürde, sich etwas zu trauen, immens. Was für ein schönes Gefühl also, jemanden kennenzulernen, der eine ordentliche Konversation auf die Beine bekommt, man stundenlang auf Mauern sitzt oder durch Stadtteile läuft und nichts weiter dabei hat als eine Flasche Bier und die eigene leichte Nervosität. Und wenn etwas wiedererwacht: Die Erinnerung an das kribbelige Gefühl, das Augen, Lächeln, die gleiche Wellenlänge und der leichte Schwips, der garantiert nicht nur vom Bier kommt, hervorrufen können. Ganz gleich, ob der Schwips zum Dauerzustand wird oder man in Zukunft doch lieber andere Sorten probiert: Wenn wir ehrlich sind, genießen wir doch genau diesen Zustand und wünschen uns insgeheim mehr davon.
3. Die Geister, die ich rief…
…ist nicht nur der Titel von Charles Dickens Weihnachtsgeschichte, sondern auch meine persönliche Analogie für die Begründung, regelmäßig etwas Gutes beenden zu wollen. Wie Franzi es einmal geschrieben hat, tragen wir wohl alle unser kleines Päckchen mit uns herum und sind nicht sorgen- und zweifelsfrei, wenn wir jemanden kennenlernen und uns auf Ihn oder Sie einlassen. Insbesondere, wenn man bereits die ein oder andere Beziehung hatte und Höhen und Tiefen durchlebt hat. Das ging mir zunächst nicht anders. Aber niemand ist gern allein und deshalb geben wir es nunmal nicht auf, zu suchen und zu finden. Wenn man hie und da ins Fettnäppchen getreten ist, trägt man Erinnerungen an Situationen, gute und schlechte Gefühle und Ärger und Glück mit sich. Erinnerungen, die wir mit niemandem als der einen Person teilen möchten, Erinnerungen, an die wir uns gar nicht erinnern möchten, Dejá Vus, die einem manchmal die Leichtigkeit nehmen. Nach den ersten rosigen Wochen, sind mir im Tagestakt Gründe eingefallen, die Freiheit, die ich mir in der vergangenen Zeit aufgebaut habe, nicht durch eine neu Bindung aufzugeben. Ich kam mir knausrig, gemein und undankbar vor ob der Offenheit, die mein Date mir entgegenbrachte. Man neigt doch oft dazu, Menschen aufgrund dieser kleinen Päckchen einer Chance zu entbehren. Sei es die besinnliche Zeit, der Genuss, jemanden kennenlernen zu dürfen oder die Überzeugungskünste meiner Freundinnen: Chancen zu geben, hat mich in den letzten Wochen immer wieder auf’s Neue belohnt – und ganz nebenbei gesagt: Alte Päckchen mit neuen Inhalten gefüllt!
4. Date gesucht, Komplizin gefunden
Die gemeinschaftsfördernde Komponente wurde ja bereits zu Beginn angesprochen – aber mal im Ernst: Wer tauscht sich nicht gerne über letzte Dates aus und diskutiert die nächsten Schritte?! Ich bin zwar erst seit Kurzem wieder im Geschäft, aber während man heute eben nicht mehr auf der Tanzfläche sondern mit einem Like flunkert, erfreue ich mich doch über das erfrischende und hin und wieder sehr zusammenschweißende neue Gesprächsthema und macht Single-Mädels zu echten Komplizinnen im Dienste der Liebe.
Danke, #Tinder!